Der Amateurfunk-Satellit ARISSat-1

Autor: Maik Hermenau

Der Amateurfunk-Satellit ARISSat-1 ist der direkte Nachfolger vom SuitSat-1 / RadioSkaf-1, mit der Oscar-Bezeichnung AO-54, welcher im und an dem ausgedienten Orlan-M Raumanzug Nr.14 untergebracht war und während der 17.Orlan-EVA am 03.Februar 2006 ausgesetzt worden ist. Leider mußte man kurze Zeit später feststellen, dass sich wohl die Steckerverbindung zur Antenne gelockert hatte und er somit ohne eine funktionierende Sendeantenne verloren war. Trotz des Problems gab es aber weltweit engagierte Funkamateure, die SuitSat-1 mit viel Aufwand gehört hatten und die Mission letztendlich doch noch zu einem Erfolg verhalfen. Ursprünglich sollte ARISSat-1 als SuitSat-2 ebenfalls in einem ausgedienten Orlan-M Raumanzug installiert werden, aber der favorisierte Raumanzug mußte wegen Platzmangel auf der ISS vorzeitig entsorgt werden. Somit wurde ARISSat-1 als eigenständiger Satellit geplant und gebaut.
Mit dem Versorgungsflug des Zubringerschiffes Progress M-09M Ende Januar 2011, wurde der fertige Satellit zur ISS transportiert. Dort angekommen wurde der ARISSat-1 für einen ersten Funktionstest am 09.Februar 2011 mit einer Dauer von wenigen Stunden aktiviert, in dem man ihn an einer der WA (Wide-Range Antenna) Amateurfunk-Antennen anschloß. Im Überflug der ISS konnte ich um 01:22 Uhr MEZ auf 145.950 MHz leise SSTV Signale empfangen. Gefolgt von einer um 01:25 Uhr MEZ kaum wahrnehmbaren Phonie Aussendung. Wegen Schwierigkeiten bei der Vorbereitung aller notwenigen Schritte für das Aussetzen im Weltraum, wurde die Separation erst auf die nächst folgende Orlan-EVA im August 2011 verschoben. Um nach dem längeren Aufenthalt an Bord der ISS sicher zu gehen, dass der Satellit funktioniert, wurde am 31.Juli 2011 ein zweiter Funktionstest durchgeführt. Dabei arbeitet ARISSat-1 im Low-Power-Modus in dem er für ca. 40 Sekunden auf der 145.950 MHz sendete und danach für ca. 2 Minuten pausierte. Um das schwache Signal für jeden hörbar zu machen, wurde die Aussendung zusätzlich über die Amateurfunkstation an Bord der ISS auf 437.550 MHz gespiegelt.
Am 03.August 2011 fand dann endlich die 33.Orlan-EVA statt. Leider aber außerhalb der Hörbarkeit in Europa. Das Aussetzen des ARISSat-1 wurde gleich am Anfang der EVA als ersten Arbeitsgang durchgeführt.


Hier wurde er in der Luftschleuse ausgepackt.
© NASA TV


Dann draußen eingeschaltet.
© NASA TV


Und von der Sicherungsleine getrennt.
© NASA TV

Zu dem Zeitpunkt der Bilder auf NASA TV mußte man feststellen, dass die zweite Funkantenne an der Unterseite des Satelliten fehlte, welche man für den 70-cm Uplink des Lineartransponders benötigte. Sie wurde wohl scheinbar beim verladen in die Luftschleuse oder beim auspacken des Satelliten abgebrochen. Nach einer Beratung mit den Verantwortlichen am Boden, wurde schließlich ARISSat-1 von Sergei Wolkow, RU3DIS ohne die Uplink-Antenne um 20:43 Uhr MESZ ausgesetzt, da man keine Möglichkeit sah dies zu reparieren. Leider gab es von dem Aussetzen keine Bilder auf NASA TV, da man sich in diesem Moment nicht im Ka-Band Fenster befand. Nur wenige Stunden später konnte ich im ersten Überflug des Tages, die ersten Signale auf 145.950 MHz von ARISSat-1 empfangen. Da der Satellit keine Lagestabilisierung besaß, hatten die Signale anfangs ein starkes Fading, was sich aber einige Tage später besserte. Am 07.August 2011 wurde fälschlicherweise nach einem Amateurfunk Schulkontakt, der Repeater-Mode auf der ISS mit der gleichen Downlinkfrequenz 145.950 MHz wie ARISSat-1 aktiviert. Es waren sogar Funkamateure darüber aktiv, wie die Station 9A7PKJ aus Kroatien, welche es wohl auch gleich gemerkt hatte und sofort den Repeater-Mode getestet hat. Von der ISS selbst kam noch alle 2 Minuten eine Packet-Radio Baken-Meldung mit dem Inhalt: RS0ISS>CQ>ARISS - International Space Station Zum Glück hatte da schon der Satellit ein paar Minuten Vorsprung, so dass die Überlagerungen nicht ganz so schlimm waren.

ISS Repeater am 07.08.2011 um 00:37MEZ auf 145.950MHz

In den ersten Tagen fanden die Überflüge über Europa in den Nachtstunden vorwiegend im Erdschatten statt, so dass er sich da hauptsächlich nur im Low-Power Modus befand und über die Energie der eingebauten Batterie versorgt worden ist. Dabei war die Batterie des ARISSat-1 genau vom gleichen Typ wie sie auch in einem Orlan-Raumanzug verwendet wird. Nach nur 9 Tagen am 12.August 2011 war die Batterie dann aufgebraucht und ab sofort war nur noch der Betrieb im direkten Sonnenlicht über die Solarenergie möglich.

Der Downlink des ARISSat-1 bestand aus einem Sender im 2-m-Band mit einer Bandbreite von 40 kHz und einer Sendeleistung von 500 mW, worauf eine Vielzahl von verschiedenen Aussendungen untergebracht worden waren. Auf 145.919 MHz gab es eine Morse-Kode Bake mit dem Rufzeichen RS01S. Diese konnte man als Referenzsignal für die nur ca. 500 Hz höhere Telemetrie Bake auf 145.920 MHz mit 1000bps in BPSK1000 nutzen. Zwischen 145.922-145.938 MHz befand sich ein U/V Lineartransponder mit einer Bandbreite von 16 kHz und auf 145.950 MHz gab es einen FM-Downlink, wo gesprochene Telemetrie, SSTV Bilder und 25 Grußbotschaften in 15 verschiedene Sprachen ausgesendet worden sind. Dabei gab es den festen Rhythmus: gesprochene Telemetrie > Grußbotschaft > SSTV-Bild > Grußbotschaft, wobei jede Aussendung jeweils ein Zeitfenster von 40 Sekunden hatte. Da der FM-Downlink mit 250 mW die höchste Sendeleistung anteilig besaß und von den Aussendungen her mir am interessantesten erschien, habe ich meinen Empfang hauptsächlich darauf konzentriert.


Audio-Spektrogramm des ARISSat-1 Signals

Morse-Kode Bake auf 145.919MHz und BPSK1000 TLM auf 145.920MHz

Jede gesprochene Telemetrie-Meldung beinhaltete einen Zeitstempel (MET), die Temperatur des IHU Prozessors und des Control Panel, sowie den Volt und Ampere Wert der Batterie. Wie man in der Tabelle an den Batterie Werten vom 09.August 2011 sehen kann, war da noch die Batterie intakt. Nur 3 Tage später war sie dann aufgebraucht und der Ampere Wert befand sich dann ständig unter Null. Interessant waren auch die beiden Temperatur Werte, welche immer mehr stiegen, in um so tiefere Umlaufbahnen der Satelliten gelangte. Laut den letzten Meldungen kurz vor dem verglühen stiegt die Temperatur bis auf +88°C. Welch ein Wunder das da die Elektronik des Satelliten immer noch bei den hohen Temperaturen funktioniert hat.

Datum 09.08.2011 29.12.2011 03.01.2012
MET 9078min 41min 49min
IHU Temp +26° +40° +48°
Control Panel Temp +22° +31° +54°
Battery Voltage 33.40V 35.95V 35.77V
Battery Current +292mA -8mA -12mA
Telemetrie-Meldung am 09.08.2011

Die insgesamt 25 Grußbotschaften, welche größtenteils von Kindern aus der ganzen Welt gesprochen worden sind, bestanden aus den Sprachen belgisch, bengalisch, chinesisch, deutsch, englisch, französisch, hebräisch, holländisch, italienisch, japanisch, katalanisch, nepalesisch, portugiesisch, russisch, schwedisch und spanisch. Auch dabei sind zwei spezielle Aufnahmen von Juri Gagarin und Nikita Chruschtschow. Einige der Grußbotschaften enthalten am Ende ein geheimes Passwort, mit dem man bei der AMSAT ein Zertifikat erhalten konnte. Ich habe insgesamt ca. 150 Überflüge mitgeschnitten, so dass ich von jeder Grußbotschaft mindestens ein Exemplar in einer guten Qualität empfangen konnte.

Grußbotschaft in deutsch am 29.08.2011
Grußbotschaft Gagarin am 16.09.2011
Grußbotschaft Chruschtschow am 14.09.2011
Grußbotschaft in russisch am 28.10.2011
Grußbotschaft in belgisch am 24.08.2011
Grußbotschaft in bengalisch am 07.09.2011
Grußbotschaft in chinesisch am 25.12.2011
Grußbotschaft in englisch am 16.08.2011
Grußbotschaft in englisch am 20.08.2011
Grußbotschaft in englisch am 10.09.2011
Grußbotschaft in französisch am 02.09.2011
Grußbotschaft in französisch am 14.09.2011
Grußbotschaft in französisch am 15.09.2011
Grußbotschaft in hebräisch am 11.09.2011
Grußbotschaft in holländisch am 04.09.2011
Grußbotschaft in italienisch am 30.08.2011
Grußbotschaft in italienisch am 27.12.2011
Grußbotschaft in japanisch am 16.09.2011
Grußbotschaft in katalanisch am 19.08.2011
Grußbotschaft in nepalesisch am 03.01.2012
Grußbotschaft in portugisisch am 07.11.2011
Grußbotschaft in schwedisch am 10.09.2011
Grußbotschaft in spanisch am 09.08.2011
Grußbotschaft in spanisch am 18.09.2011
Grußbotschaft in spanisch am 27.10.2011
Die SSTV Bilder welche ARISSat-1 im Robot36 Format übertrug, waren vor allem live Bilder. Es gab 4 Kameras verteilt an der Ober- und Unterseite des Satelliten. Bei jeweils zweien konnte das Blickfeld über Spiegel gelenkt werden, so dass man aus sechs Richtungen fotografieren konnte. Die vier Kameras konnte man an Hand der Schriftfarbe des Rufzeichens RS01S in der oberen linken Ecke unterscheiden. Bei einem der Blickwinkel war es möglich, dass obere Ende der 2-m Stabantenne zu sehen. Aller 2 Minuten wurde eine Reihe von Fotos geschossen, von denen man mit einer automatischen Erkennung sehr dunkle oder leere Aufnahmen verworfen hat. Regelmäßig besonders im Low-Power Modus gab es noch zwei verschiedene Standard-Bilder, die abwechselt gesendet worden sind. Insgesamt konnte ich 161 SSTV Bilder von ARISSat-1 empfangen, welche man in meinen Ordner für SSTV-Bilder finden kann.
Nach 154 Flugtagen hatte ARISSat-1 am 04.Januar 2012 seinen Wiedereintritt in der Erdatmosphäre, wo er schließlich verglüht ist. Den letzten positiven Hörbericht gab es an diesem Tage gegen 7 Uhr MEZ über Japan. CalSky nannte den geschätzten Zeitpunkt des Wiedereintritts um 07:49 Uhr MEZ. Meine letzten empfangenen Signale vom ARISSat-1 konnte ich im letzten Überflug des 03.Janaur 2012 zwischen 16:20-16:26MEZ hören.

Forum Satellitenwelt - Empfang von ARISSat-1


letzte Änderung: 08.05.2012

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