Die Satellitenbeobachtungsstation "Junge Welt"

Autor: Maik Hermenau

Kurze Vorgeschichte:
Ich hatte Sven Grahn gebeten ob er noch etwas an Unterlagen über die frühere Satellitenbeobachtungsstation "Junge Welt" besitzen würde. Darauf hin schickte er mir eine Kopie zweier Jahresberichte der Satellitenbeobachtungsstation "Junge Welt", aus der Zeit von 1965-1968, die er damals von Manfred-Dieter Oslender erhalten hatte. Darin wurde ein Chemiestudenten mit Namen Bernd Mischke aus Berlin erwähnt, der sich damals mit seinen Aktivtäten sehr verdient gemacht hatte. Im Internet fand ich recht schnell einen Bernd Mischke auf der Internetseite www.chromatographie-training.de, auf denen alle Hinweise passten. Ich schickte ihm gleich eine eMail und keine zwei Stunden später, hatte ich schon eine Antwort von ihm erhalten. Er war die richtige Person! Nur Dank seiner netten Mithilfe und Überlassung der Fotos konnte diese Seite entstehen.


Wissenschaftler und Publizisten hatten nach dem Start des ersten künstlichen Erdsatelliten im Oktober 1957, den Wunsch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR eine fachspezifische Vereinigung zu gründen. Am 22.Juni 1960 wurde die DAG (Deutsche Astronautische Gesellschaft) mit dem Sitz in Berlin gegründet. Sie hatte sich zur Aufgabe gemacht, die friedliche Erforschung und Nutzung des Weltraums zu fördern. Die Gründungsmitglieder wählten den Experten für Raketensteuerung, Dr.Ferdinand Ruhle, zum ersten Präsidenten der Gesellschaft. Ab dem Jahr 1960 wurden von der DAG, in zwangsloser Folge detaillierte Schnellinformationen zu allen Starts von Raumflugkörpern veröffentlicht. Zusammen mit dem Zentralen Fachausschuß für Astronomie des Deutschen Kulturbundes, gab die DAG ab dem Jahr 1963 eine eigene Fachzeitschrift mit dem Namen "Astronomie und Raumfahrt" heraus. Zur Förderung der praktischen Arbeit, wurde von der DAG der Betrieb einer Satellitenbeobachtungsstation in Berlin genehmigt. Darauf hin wurde am 19.März 1964 die Satellitenbeobachtungsstation "Junge Welt", ein gemeinsames Unternehmen der DAG und des Verlages der gleichnamigen Tageszeitung "Junge Welt" gegründet. Die "Junge Welt" Satellitenbeobachtungsstation ist entstanden, weil die Zeitung an einer möglichst umfangreichen und wissenschaftlich fundierten Berichterstattung, auf dem Sektor der Raumfahrt interessiert war. Die Satellitenbeobachtungsstation befand sich im Verlagsgebäude der Jungen Welt, der Tageszeitung der FDJ (Freie Deutsche Jugend), in der Mohrenstraße 36/37 in Ost-Berlin, DDR. Die Leitung der Satellitenbeobachtungsstation erfolgte durch Karl-Heinz Neumann, einem Mitglied des Präsidiums der DAG. Karl-Heinz Neumann war ein Journalist beim Armeeverlag, er hatte regelmäßig Artikel in den Zeitungen "Jungen Welt", "Technikus", "Wissenschaft und Fortschritt" sowie "Jugend und Technik" geschrieben und im Rahmen der Urania Vorträge gehalten. Die Anfänge von Karl-Heinz Neumann mit seinen Aktivitäten auf dem Sektor funktechnische Satellitenbeobachtung, war aber schon etwas eher. Bereits im Jahr 1962 veröffentliche er ein kleines anspruchsvolles Taschenbauch mit dem Namen "Funktechnische Satellitenbeobachtung" aus der Reihe "Der praktische Funkamateur" Band 29. (siehe das Bild rechts) Hilfreiche Unterstützung in Dingen der praktischen Arbeit, bekam die Satellitenbeobachtungsstation u.a. von Prof. Dr. Hans-Joachim Fischer, dem damaligen Direktor des Instituts für Elektronik, später dann Instituts für Kosmosforschung der AdW.
Die technische Ausstattung der Satellitenbeobachtungsstation wurde mit der Übernahme von reparaturbedürftigen, leihweise überlassen oder neu angeschafften Geräten zusammen gestellt. Hauptsächlich wurde die Satellitenbeobachtungsstation mit der ehrenamtlichen Mitarbeit von Studenten, Lehrlingen und Oberschülern betrieben, die im Rahmen einer Schüler-Arbeitsgemeinschaft erfolgte. Bei der Beobachtung der Funksignale von Satelliten, ging es aber in erster Linie nicht um ihre Dekodierung, sondern nur um die genaue Messung der Hörbarkeit, mit dem Beginn und dem Ende des Durchganges, des Feltstärkeverlaufes, der Doppler-Auswertung und der Bestimmung des Wendepunktes der Dopplerkurve. Hierbei hatte man eine Genauigkeit von ±1 Sekunde erreichen können. Die Beobachtungsergebnisse wurden teilweise selbst ausgewertet, um daraus aufkommende Bahnänderungen abzuleiten. Alle Ergebnisse der funktechnischen Beobachtungen wurden über den Ephemeridendienst der DDR, an den Astronomischen Rat der Sowjetunion und an den Zentralen Radioclub der UdSSR geleitet. Die ersten Funksignale welche die Satellitenbeobachtungsstation empfangen und aufzeichnen konnte, war der sowjetische Satellit Kosmos-28, der am 4.April 1964 gestartet worden ist. Fast alle Satelliten die im Satellitenband um 20 MHz gesendet hatten, wurden von der Satellitenbeobachtungsstation verfolgt. In den ersten Jahren konzentrierte man sich hauptsächlich auf den Bereich 20 MHz, später kam dann der 136-138-MHz, 162-MHz sowie den von Mondsonden genutzten 183-MHz-Bereich hinzu.

Die Satellitenbeobachtungsstation "Junge Welt" im Jahr 1967.
oben: HF Prüfsender ca.30kHz-30MHz, NF Filter
unten: Allwellenempfänger Erfurt, Netzteile, Empfänger FSM-3,
darauf ein Tonbandgerät für den Signalmitschnitt

Die Satellitenbeobachtungsstation "Junge Welt" im Jahr 1967.
oben: Prüfgenerator, Quarzuhr, Allwellenempfänger Dabendorf
unten: Streifenschreiber zur Signalaufzeichnung, Kompensations-
bandschreiber für Feltstärkeaufzeichnung, Allwellenempfänger Erfurt

Der Leiter der Satellitenbeobachtungsstation Karl-Heinz
Neumann an den Allwellenempfängern Dabendorf.


v.l.: Reinhard Schulze (damaliger Mathematikstudent), Herbert Pfaffe
(Mitglied des Präsidiums der DAG), Bernd Mischke (damaliger
Chemiestudent) v.r.: Horst Hoffmann 2005(†)(Raumfahrtpublizist),
Peter Stache (Journalist Armeeverlag)
Die funktechnische Ausstattung der Satellitenbeobachtungsstation in den ersten Jahren, bestand aus einer Antennenanlage mit einer Langdrahtantenne für den Kurzwellenbereich um 20 MHz, einer nachführbaren Wendelantenne mit 6-8 Windungen für den Bereich 136-138 MHz und später noch ein Kreuzdipol für 137-MHz-Wettersatelliten. Als Empfänger nutzte man den Allwellenempfänger Erfurt Typ 188 von RFT, mit einen Empfangsbereich von 30 kHz bis 30 MHz mit den Modulationen CW, MCW und AM. Den Allwellenempfänger Dabendorf von RFT mit dem Empfangsbereich 120 kHz bis 30 MHz ausgestattet mit CW, SSB und AM. Zusätzlich gab es einen teilweise umgebauten Empfänger FSM-3 (Feld-Stärke-Messer) von RFT, mit einem Empfangsbereich von 87-300 MHz.
Auf dem Dach des Verlagsgebäudes auf der Mohrenstraße 36/37, errichtete man eine Anlage für die visuelle bzw. optische Satellitenbeobachtung. Zur Ausstattung gehörten u.a. zwei AT-1 Fernrohre mit transportabeln Dreibeinstativen mit Zeitregistrierung für die Bahnspurfotographie. Neben den Satellitenbeobachtungen wurden auch astronomische Ereignisse fotografiert und die Aktivitätsperioden der Sonne überwacht. Da aber im Zentrum einer Großstadt wie Berlins, schlechte Bedingungen für optische Beobachtungen herrschen, konzentrierte man sich hauptsächlich auf die funktechnische Beobachtung.
Am 20.Oktober 1967 besuchte der sowjetische Kosmonaut Andrijan Nikolajew die Satellitenbeobachtungsstation "Junge Welt". Nikolajew hatte vorher als fünfter Mensch vom 11.-15.August 1962 mit dem Raumschiff Wostok 3 einen 3tägigen Raumflug absolviert.


Junge Welt vom 13.10.1964


 


 


Karl-Heinz Neumann mit Kosmonaut Andrijan Nikolajew 1967

Beobachtung einer Mondfinsterniss in den 60ern.

Die Satellitenbeobachtungsstation "Junge Welt" im Jahr 1974.
Ab April 1968 wurden erstmalig die von Satelliten gesendeten Wetterbilder im APT-Format regelmäßig aufgezeichnet. Einen Teil der dazu notwenigen Apparaturen wurden von den Mitgliedern in ihrer Freizeit entwickelt und gebaut. Zuerst nutzte man den Empfänger FSM-3 von RFT, bei dem man speziell für den Empfang von Wetterbildern, die Filterbandbreite verändert hatte. Später erhielt man vom ZWG (Zentrum für wissenschaftlichen Gerätebau) der AdW (Akademie der Wissenschaften), leihweise einen Wetterbildempfänger vom Typ APT-137/3. Bis es damals zu einen fertigen Wetterbild kam, waren mühsame Arbeitsgänge nötig. Der Wetterbildempfänger hatte einen modifizierten Ausgang, wo das Bildaufzeichnungsgerät "Newa" angeschlossen wurde. Im Bildaufzeichnungsgerät befand sich eine drehende mit Photopapier bespannte Trommel. Eine Glimmlampe bildete einen Punkt auf dem Papier ab, bis Zeile für Zeile das Wetterbild abgebildet worden war. Anschließend mußte noch das Photopapier in der Dunkelkammer entwickelt, fixiert und getrocknet werden, bis man das fertige Wetterbild in den Händen halten konnte.
Kurze Zeit nach dem man die Satellitenbeobachtungsstation in das neue Verlagsgebäude am Alexanderplatz verlegt hatte, wurde der Stationsbetrieb Anfang der 80er Jahre aufgegeben. Nach dem Karl-Heinz Neumann an Kehlkopfkrebs erkrankte und leider 1988 verstarb, gab es von Seitens des Verlages und der FDJ, kein Interesse mehr an einer weiteren Fortsetzung. Ein kleiner Teil der damaligen Ausrüstung, wurde danach im FEZ (Freizeit- und Erholungszentrum) in Berlin-Wuhlheide ausgestellt, wo es heute noch zu sehen sein soll. Zu den über die Jahre hervor zu hebenden Mitgliedern der Satellitenbeobachtungsstation "Junge Welt" zählen Dr.Peter Heblik, Bernd Mischke, Ingrid Penther, Dr.-Ing. Bernd Schildwach und Reinhard Schulze.

letzte Änderung: 11.06.2013

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