Radar für die Bahnvermessung von Raumflugkörpern

Autor: Maik Hermenau

Seit dem Start von Sputnik-1 im Oktober 1957, gab es ca. 4.800 erfolgreiche Raketenstarts. Mit ihnen brachte man bis August 2009 ca. 35.700 von Menschenhand erbaute Objekte in den Weltraum. Von diesen ca. 35.700 katalogisierten Objekten, welche alle größer als 10 Zentimeter im erdnahen Bereich, sowie größer als 1 Meter im geostationären Bereich sind, befinden sich gegenwärtig noch ca. 15.200 Objekte in einer Umlaufbahn um die Erde. Davon sind 6% aktive Satelliten-Nutzlasten, 16% inaktive Satelliten-Nutzlasten, 18% ausgebrannte Oberstufen von Trägerraketen, 14% Nutzlast-Fragmente und 46% Trümmerteile von Explosionen und Kollisionen. Der größte Teil dieser Objekte wird mindestens einmal täglich in ihrer Umlaufbahn vermessen. Bisher verfügten nur die USA und Russland über eigene Weltraum-Überwachungssysteme, welche aus konventionellen und phasengesteuerten Radar-Systemen, sowie optischen Teleskopen besteht.

GRAVES

Seit dem Dezember 2005 verfügte nun auch Frankreich über ein Weltraum-Überwachungssystem mit dem Namen GRAVES (Grand Réseau Adapté à la Veille Spatiale), welches auf der Basis eines bi-statischen Radar-Meßsystems funktioniert. GRAVES besteht aus einer Sendestation am Flugfeld Broye-Aubigney-Montseugny, in der Region Broye-lès-Pesmes östlich der Stadt Dijon und einer Empfangsstation die sich ca. 380 km südlich des Senders und nördlich der Stadt Apt in der Region Revest-du-Bion befindet. Mit GRAVES ist es möglich mehr als ein Viertel aller Objekte in ihren Umlaufbahnen zu beobachten. Die Bahnvermessung findet hauptsächlich von Objekten in tiefen Umlaufbahnen unter 1.000 km statt, wo man Objekte bis zu einer detektierbaren Größe von kleiner als 1 m und einer Bahnneigung ab 45° aufspüren kann. Es soll ständig eine Datenbank von ca. 2.000 Objekten aufrecht erhalten werden, deren Überflüge der Endbenutzer das französische Verteidigungsministerium, als potentielle Bedrohung für das Französische Territorium ansieht. Fast alle Objekte dieser Datenbank werden mindestens zwei mal in 24 Stunden vermessen. Frankreich hat sich ein eigenes Weltraum-Überwachungssystem errichtet, da Bahnelemente bestimmter geheimer Satelliten des USA Satelliten-Programms nicht veröffentlicht werden.


GRAVES Sendestation in Broye-Aubigney-Montseugny, Frankreich  © www.onera.fr

Die Sendestation von GRAVES besteht aus vier 15 x 6 m großen geneigten Phased-Array-Antennen, welche den Himmel von Südwesten bis Südosten bedienen und eine Abdeckung von ca. 240° gewährleisten. Eine Phased-Array-Antenne ist eine Gruppenantenne mit starker Richtwirkung, die eine Bündelung der Strahlungsenergie durch die Anordnung und Verschachtelung von Einzelstrahlern erreicht, welche in der Amplitude und Phase gesteuert werden. Mit diesen Radarsystem ist man in der Lage, simultan gleich mehrere Objekte zu vermessen. Die Phased-Array-Antennen senden kontinuierlich ein CW-Dauerstrichsignal, in verschiedene eckige Raumwinkel des Himmels, womit man ein sogenanntes bi-statisches Radar bzw. Dauerstrich-Radar erzeugt. Die ca. 380 km entfernte Empfangsstation Ansicht bei Google Maps besteht aus einer kreisförmige Fläche von 60 m Durchmesser, wo in ihr eine große Anzahl an Omnidirektionale Antennen aufgestellt ist, welche nach dem Prinzip eines Radar-Interferometers arbeiten. Da GRAVES mit einen bi-statischen Radar-Meßsystem arbeitet, muß der Sender zum Empfänger weit genug auseinander entfernt liegen, damit der Empfangsstation keine Bodenwellen und keine Radarechos von Flugzeugen mehr erreichen kann.


GRAVES Empfangsstation in Revest-du-Bion, Frankreich  © www.onera.fr

Praxis der Bahnvermessung:

Die Sendestation in der Nähe der Stadt Dijon, sendet kontinuierlich ein CW-Dauerstrichsignal auf 143,050 MHz, mit einer Sendeleistung im Kilowatt Bereich in Richtung Weltraum aus. Von allen überfliegenden Objekten wird dieses Signal, stärker oder schwächer je nach Radar-Rückstreu-Querschnitt, zurück zum Boden reflektiert. Die Empfangsstation empfängt die zurück geworfenen Radarechos in der CW-Modulation, wo man das CW-Dauerstrichsignal des Senders, zusammen mit der entstehenden Doppler-Verschiebung auswertet. Diese Methode kann man auch als Radio-Echo-Verfahren bezeichnen. Von den empfangenen Radarechos kann man Aussagen über die Entfernung, die Geschwindigkeit und der Oberfläche des Objektes machen. Mit mehreren hintereinander folgenden Radarechos eines Objektes und der genauen Peilung der Quelle des Signals, kann so eine vollständige Bahnbestimmung durchgeführt werden. Mit diesem ziemlich einfachen Konzept, kann man sehr zuverlässig jedes mögliche Objekt aufspüren, analysieren und katalogisieren.

Bezeichnung

Frequenz

Standort

Ansicht

GRAVES

143,050 MHz Broye-Aubigney-Montseugny, Frankreich Google Maps


Phased-Array-Radar "GRAVES" in Broye-Aubigney-Montseugny, Frankreich
© maps.google.de

Passiver Satellitenempfang:

Die reflektierten Radarechos sind ein quasi passiver Empfang von Satellitensignalen. Objekte mit einen hohen Radar-Rückstreu-Querschnitt, geben teilweise auch ein stärkeres Radarecho zurück, welches man schon mit einer normalen Rundstrahlantenne gut empfangen kann. Hauptsächlich sind dies Oberstufen von Trägerraketen, größere Satelliten und bemannte Raumfahrzeuge wie die ISS oder das Space Shuttle. Der Radar-Rückstreu-Querschnitt ist eine physikalische Eigenschaft von Objekten der angibt, wie groß die rückstrahlende Fläche des Gegenstandes erscheint, wenn er von einer Radarstrahlung erfaßt wird. Die Maßeinheit des Radar-Rückstreu-Querschnittes wird dabei in Quadratmeter angegeben. Eine Übersicht wie hoch der Radar-Rückstreu-Querschnitt bei einen jeweiligen Raumflugkörper ist, findet man im Satellite Situation Report von Space-Track.
Der Radar-Rückstreu-Querschnitt vom bisher größten Objekt in einer Umlaufbahn um die Erde, der ISS, liegt bei 630 m². Bei den Überflügen der ISS sind Radarechos nur möglich, wenn sich die ISS auch im Aktionsbereich von der GRAVES Sendestation befindet. Für den Sichtbereich Ost-Deutschland ist das vor allem, bei den ersten Überflügen eines jenen Tages, bis zu einer max. Elevation von ca. 55° möglich. Die nachfolgenden in der Elevation hohen Überflüge der ISS, können dann nicht mehr von GRAVES erfaßt werden. Erst wieder der letzte flache Überflug im Süden unter ca. max. 25° Elevation, wird die ISS wieder von der GRAVES Sendestation getroffen. An dem Radarecho der ISS ist auffällig, daß es eine gestrichelte Spur ergibt, was Radarechos von nicht länger als 10 Sekunden bildet. Dies ist darauf zuführen, daß es sich hier um die aufeinander folgenden eckigen Bereiche der Phased-Array-Antenne handeln muß. Radarechos können immer nur von Objekten empfangen werden, die zu dem Zeitpunkt auch Funksicht zum Radar haben. Theoretisch könnte man auch Radarechos von Flugzeugen empfangen, was aber bei der niedrige Flughöhe und der größeren Entfernung der Flugzeuge zum Radar somit in Deutschland nicht möglich ist. Auf der Ansicht rechts, kann man den Aktionsbereich bei einer Flughöhe von ca. 400 km der GRAVES Sendestation sehen. Die grau unterlegte Fläche ist nach meiner Beobachtung in etwa der Bereich, wo es zu Reflexionen von Objekten kommen kann. Der rote Kreis ist der Sichtbereich von Ost-Deutschland. Wie man sehen kann, ist es nicht gerade ein großer Bereich, wo ein passiver Satellitenempfang überhaupt möglich ist. Im Januar 2007 veröffentlichte Rob Hardenberg, PE1ITR in der HearSat Mailingliste, daß er die genutzte Frequenz von GRAVES gefunden hatte. Erst durch diese Information ist diese Seite überhaupt möglich geworden.


FFT-Analyse (Langzeit) Radarecho der ISS am 02.02.2007
ab 23:53 Uhr MEZ mit einer Doppler-Verschiebung von 70 Hz/s.

Radarecho der ISS und eines Meteors über dem GRAVES Radar auf 143.048MHz

Echos von Meteore

Nach dem Prinzip des Radio-Echo-Verfahrens, wie es auch bei dem bi-statischen Radar-Meßsystem GRAVES verwendet wird, ist es auch gegebenenfalls möglich nahe Planeten, den Mond und auch Meteore zu beobachten. Wenn ein Meteor in die dichteren Schichten der Erdatmosphäre, mit einer Geschwindigkeit von 10-70 km/s und in einer Höhe zwischen 80-120 km eindringt, entzündet er sich durch die Reibungswärme, bis er brennend vollkommen verdampft und eine Spur ionisierten Gases erzeugt wird. Diese dann auch sichtbare sehr schnell über den Nachthimmel ziehenden hellen Lichtstreifen, bezeichnet man volkstümlicherweise als Sternschnuppe. Pro Jahr verglühen ca. 40.000 Tonnen Meteore in der Atmosphäre der Erde.
Der Meteor selbst und die hinterlassene Spur von ionisierten Gas, kann Radiowellen reflektieren. Die Reflexionsdauer an den verdampfenden Teilchen, kann von mehreren Sekunden bis zu mehr als 2 Minuten anhalten. Die Funkamateure haben aus dieser Möglichkeit eine Betriebsart entwickelt, welche man Meteor-Scatter nennt und mit ihr Funkverbindungen bis ca. 2.200 km möglich sind.
Am Beispiel unten kann man sehen, wie sich der Meteor am Anfang mit einer hohen Geschwindigkeit durch die Erdatmosphäre bewegt und eine Doppler-Verschiebung in sehr kurzer Zeit durchführt. Wo der Meteor dann in die tiefer liegenden dichteren Schichten der Erdatmosphäre gelangt ist, hatte er sich entzündet und wurde plötzlich sehr schnell langsam. Während er verdampfte und eine Spur ionisierten Gases erzeugte, bildete er einen guten Burst für wenige Sekunden Länge.


FFT-Analyse (Echtzeit) Radarecho eines Meteors des Perseiden Meteor-Schauer Maximum
am 13.08.2007 um 1:39 Uhr MESZ über dem GRAVES Radar auf 143,0485 MHz

Radarecho eines Meteors des Perseiden Meteor-Schauer Maximum am 13.08.07 um 1:50MESZ über dem GRAVES Radar auf 143.0485MHz

Radarecho eines Meteors des Perseiden Meteor-Schauer Maximum am 13.08.07 um 2:34MESZ über dem GRAVES Radar auf 143.0485MHz

Radarechos von Meteore des Perseiden Meteor-Schauer Maximum am 13.08.07 von 2:17-2:23MESZ über dem GRAVES Radar auf 143.0485MHz

NavSpaSur "Fence"

In den USA existiert seit 1965 das Weltraum-Überwachungssystem NavSpaSur (Navy Space Surveillance System), was auch abgekürzt unter NSSS bekannt ist. Eines der Hauptsysteme darunter nennt sich "Fence" dt. Zaun, was ebenfalls auf der Basis eines bi-statischen Radar-Meßsystems arbeitet und hauptsächlich für das aufspüren bisher unbekannter Trümmerteile in der Umlaufbahn dient. Dieses System hat 3 Sende- und 6 Empfangsstationen, verteilt über das Territorium der USA in Höhe des 33. Breitengrades. Mit den beiden äußeren Sendestationen Gila River in Phoenix, Arizona und Jordan Lake in Wetumpka, Alabama, können Objekte bis zu einer detektierbaren Größe ab ca. 30 cm, einer Höhe bis ca. 24.000 km, einer Bahnneigung ab 33° und einer Genauigkeit von ca. 200 m in den Weltraum aufgespürt werden. Die Sendestation Lake Kickapoo in Archer City, Texas in der Mitte, kann durch ihre gigantische Sendeleistung von 766,8 kW, auch mühelos Radarechos vom 400.000 km entfernten Mond wiedergeben. Die Antenne der Sendestationen ist zwischen 300 m bis über 3 km lang und besteht aus einer linearen Dipolreihe. Die Empfangsstationen funktionieren nach dem Prinzip eines Radio-Interferometers, wo man mit 2.556 Einzelantennen den Winkel und die Winkelrate, von den reflektierten Signalen genaustens mißt und zu einem Signal kombiniert. Mindestens zweimal am Tag durchfliegen alle erdnahen Objekte das "Fence" und werden in ihren Umlaufbahnen vermessen. Durch die große Entfernung von den Sendestationen in den USA nach Europa, ist es aber leider nicht möglich, Radarechos von Objekten in tieferen Umlaufbahnen in Europa zu empfangen. Radarecho von Objekten in hohen Umlaufbahnen mit einem hohen Radar-Rückstreu-Querschnitt, wie z.B. Oberstufen von Trägerraketen oder auch des Mondes nachzuweisen, ist aber durchaus möglich. Der Mond müßte sich da aber im Südwesten unserer Sichtbarkeit mit ca. 30° Elevation befinden, daß er so vom Signal aus Lake Kickapoo gut getroffen wird. Markus Vester, DF6NM hat sogar die Möglichkeit entwickelt, mit den Radarechos des Mondes eine bildgebende Radar-Abtastung der Topographie durchzuführen. Mit wirklich sehr sehenswerten Ergebnissen. Auch Funkamateure machen sich den Mond seit mehreren Jahrzehnten als passiven Reflektor mit der Betriebsart EME (Erde-Mond-Erde) zu nutze, um interkontinentale Funkverbindungen zu verwirklichen. Wegen Budget-Kürzungen soll das nun als veraltet geltende "Fence" System zum 01.Oktober 2013 abgeschaltet werden.


NavSpaSur "Fence" (links) Sendestation in Lake Kickapoo, USA (rechts) Empfangsstation in San Diego, USA  © www.coe.neu.edu/~dpg/

Standort

Frequenz

Leistung

Länge Ansicht
Gila River, Arizona, USA 216,970 MHz

40,5 kW

497 m Google Maps
Lake Kickapoo, Texas, USA 216,980 MHz

766,8 kW

3.269 m Google Maps
Jordan Lake, Alabama, USA 216,990 MHz

38,4 kW

314 m Google Maps
BMEWS-3

Das Weltraum-Überwachungssystem der USA (Space Surveillance Network), besteht aus mehreren Radarstationen. Darunter befindet sich in Fylingdales, England seit 1992 ein UHF-Phased-Array-Radar, was unter der Aufsicht der Royal Air Force betrieben wird. Dieses gehört zum BMEWS (Ballistic Missile Early Warning Radar System) der USA, womit es möglich ist ballistische Flugkörper aufzuspüren. Fylingdales ist die dritte und letzte Radarstation des BMEWS und trägt die Bezeichnung BMEWS-3 / AN/FPS-126. BMEWS-3 hat eine Reichweite von ca. 4.800 km und durch seine 3-seitigen Phased-Array-Antennen einen vollen 360° Aktionsbereich. Alle UHF-Phased-Array-Radars arbeiten im Frequenzbereich von 420-450 MHz. Der englische Funkamateur Gareth Paley, G1LVN hatte beobachtet, daß BMEWS-3 wahrscheinlich die Frequenz 434,5063 MHz nutzt. Das diese Frequenz genau im 70-cm Amateurfunkband liegt sei aber nichts ungewöhnliches. Auch in den USA arbeiten mehrere UHF-Phased-Array-Radars auf 435 MHz.


UHF-Phased-Array-Radar "BMEWS-3" in Fylingdales, England
© maps.google.de

Bezeichnung

Frequenz

Standort

Leistung

Ansicht

BMEWS-3 / AN/FPS-126 434,5063 MHz Fylingdales, England 2,5 MW (833 kW pro Seite) Google Maps
DON-2N

Westlich der Stadt Sofrino, Russland Ansicht bei Google Maps befindet sich das multifunktionale DON-2N (NATO-Codename: "Pill Box") Phased-Array-Radar des russischen Weltraum-Überwachungssystems. Es hat die Form einer abgeschnittenen Pyramide, mit einer Breite von 100 m und einer Höhe von 45 m. Die Phased-Array-Antennen auf allen vier Seiten haben einen Durchmesser von 16 m. Das Radar hat einen vollen 360° Aktionsbereich. Es kann sowohl ballistische Flugkörper als auch mit einer hervorragenden Auflösung, nur wenige Zentimeter große Objekte, bis zu einer Höhe von 40.000 km in der Erdumlaufbahn aufzuspüren. Das Maximum der Sendeleistung des Phased-Array-Radars liegt bei gigantischen 250 MW (62.500 kW pro Seite). Es arbeitet mit einer Genauigkeit von ±10 m auf einer Entfernung von 360 km. Der Bau des Radars begann im Jahr 1978 und erreichte seine volle Einsatzbereitschaft erst 1989. DON-2N gehört als integraler Bestandteil zum A-135 ABM-Systems, was die Hauptstadt Moskau vor Angriffen schützen soll. Diese Art von Phased-Array-Radars operieren auf den Frequenzen 460; 915; 2450 oder 5800 MHz.


Phased-Array-Radar "DON-2N" in Sofrino, Russland
© maps.google.de


letzte Änderung: 14.08.2013

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